Auf dem Weg durch den Bahnhof spricht mich jemand an. „Hallo Sarah“ – ich brauche einen Moment, um zu erkennen, um wen es sich handelt. „Hallo Basti*, wie schön, dich zu sehen! … Ich hätte dich fast nicht erkannt.“ Basti strahlt und klopft auf seinen Bauch: „Das kommt vom regelmäßigen Essen und dem vielen Kuchen.“

Basti war über Jahre ein regelmäßiger Gast bei uns in der Bahnhofsmission. Sein Leben war ein einziges Auf und Ab zwischen Drogensucht und Wohnungslosigkeit – oft auf einem lebensgefährlich schmalen Grat. Zuletzt hatte die Sucht deutliche Spuren bei ihm hinterlassen, körperlich und mental. Teilweise konnte er einfachen Gesprächen nicht mehr folgen. Doch jetzt steht er strahlend vor mir. Nach einem Entzug und längerem Klinikaufenthalt hat er Platz in einer betreuten Wohnform gefunden. Ein eigenes Zimmer, gemeinsames Essen und die Möglichkeit mitzuarbeiten tun ihm sichtlich gut und machen ihm Spaß. Dafür ist er bereit, mit nur einem kleinen Taschengeld auszukommen und sich an Regeln zu halten.

Es gibt einige Gäste, die über Jahre hinweg immer wieder zu uns kommen. Als niederschwellige Anlaufstelle bieten wir Menschen in Notlagen einfach einen Kaffee oder Dinge des täglichen Bedarfs, wie zum Beispiel Hygieneprodukte oder im Winter die oft überlebensnotwendigen Schlafsäcke an. Für viele bietet es sicher auch eine Art Tagesstruktur, bei uns vorbeizukommen. In diesem Rahmen fällt es dann auch leichter, nach Hilfe zu fragen. Wir können emotional unterstützen und mit Beratung oder der Weitervermittlung an Fachstellen praktische Hilfe leisten. Rechtliche Schwierigkeiten oder der (drohende) Verlust der Wohnung sind im Zusammenhang mit Drogenmissbrauch oft Thema. Andererseits haben wir Gäste ohne Suchtproblematik, die aufgrund des angespannten Wohnungsmarkts in Freiburg oft trotzdem jahrelang obdachlos sind.

Ein ganz entscheidender Punkt für die Wende zum Besseren ist die persönliche Motivation. Diese entsteht wesentlich aus guten zwischenmenschlichen Kontakten. Das gilt zum einen für unser Angebot: Mit Menschen, die über lange Zeit zu uns kommen, entwickelt sich ein Vertrauensverhältnis. Auf dieser Basis wagen dann viele den Schritt, weitergehende Hilfen anzunehmen und auch durchzuhalten. Gleiches habe ich von Einrichtungen in unserem Netzwerk gehört: Da gibt es eine Fachkraft, die während der Entgiftung dem Patienten auf persönlicher Ebene Mut zuspricht. Daraus schöpft er die Kraft, die Entgiftung durchzuziehen. Wo unsere Möglichkeiten begrenzt sind – denn persönliche Freundschaften können wir nicht bieten –, da werden Kirchengemeinden oder Vereine ganz wichtig. Auch das habe ich vielfach mitbekommen, wie hier tragfähige Beziehungen entstehen, die Menschen helfen, aus der Drogensucht herauszukommen.

Was Basti betrifft, wusste ich, dass er Hilfe angenommen hatte. Daher machte ich mir nicht allzu viele Gedanken, als er länger nicht bei uns vorbeikam. Dass er nun aber so offensichtlich in guter Verfassung vor mir steht, freut mich sehr. Ich lade ihn auf einen Kaffee in die Bahnhofsmission ein, um noch ein bisschen mit ihm zu plaudern. Als wir die Bahnhofsmission betreten, ist die Freude der anwesenden Gäste groß. Vor lauter fröhlichen Begrüßungen und Nachfragen ist keine Ruhe zum Sprechen. Aber das macht nichts. Es ist einfach schön, Basti so zu sehen. Auch in den kommenden Wochen schaut er regelmäßig herein. Immer in guter Verfassung, Hilfe ist nicht nötig. Wir dürfen uns einfach mit ihm freuen, dass er die Kraft hatte, entscheidende Schritte zu einem Neuanfang zu gehen.

*Name zum Schutz des Betroffenen geändert