Neue Herausforderungen für die Bahnhofsmission in der Corona-Zeit

Neue Herausforderungen für die Bahnhofsmission
in der Corona-Zeit

Als Bahnhofsmission sind wir es gewohnt, auf unerwartete Situationen zu reagieren und schnell praktikable Lösungen zu suchen. An dieser Krise, der Corona-Pandemie, war neu, dass sie jeden betraf und dass auch wir als Einrichtung uns in kürzester Zeit neu strukturieren mussten.
Schnell war klar: Der Bedarf an Grundversorgung wird steigen und für Krisensituationen müssen wir weiter vor Ort sein. Um dennoch die Kontakte zu reduzieren, entschieden wir uns dafür, mit einem stark verkleinerten Team – die meisten ehrenamtlichen Mitarbeitenden gehören selbst zur Risikogruppe und blieben deswegen daheim – einen Kernbetrieb zur Notversorgung und Krisenintervention aufrecht zu erhalten. Parallel dazu recherchierten wir, welche Hilfen und Anlaufstellen in dieser Krise und in welcher Form noch verfügbar waren, um weiterhin gut beraten und Auskunft geben zu können.

Die ersten Wochen waren besonders hart: Viele Besucher*innen taten sich schwer, mit den Veränderungen umzugehen. Und auch für uns war sehr ungewohnt, nur mit ausreichend Abstand und auf das Nötigste begrenzt mit unseren Gästen zu sprechen. Vertrauliche Gespräche im Freien – eine ganz neue Erfahrung. Später hatten wir Masken, doch auch das war gewöhnungsbedürftig. Denn wie kann ein kurzes Wort die zwischenmenschliche Nähe und ein freundliches Lächeln ersetzen? Hinzu kam, dass es im März und April teilweise noch recht kalte Tage gab und für unsere wohnungslosen Gäste immer mehr Aufenthaltsorte wegbrachen. Öffentliche Gebäude und Einkaufszentren schlossen. Soziale Einrichtungen konnten nur noch reduzierte Hilfe leisten. Tagesstrukturierende Angebote fielen weg. Ganz zu schweigen von den öffentlichen Toiletten und den Freiburger Bächle, die geschlossen und abgestellt wurden.  Umso größer war die Nachfrage nach Möglichkeiten zur Hygiene und nach Lebensmitteln. Wir installierten einen Desinfektionsspender für unsere Gäste und begannen, ein umfangreicheres Angebot an Lebensmitteln auszugeben. Großhändler und Gastronomen, deren Lager durch die unerwartete Schließung voll waren, boten uns allerlei: von Smoothies über Schokolade bis hin zu Obst und Gemüse. Lager- und Kühlmöglichkeiten wurden geschaffen, und ein von der DB zur Verfügung gestellter Transporter erleichtert es uns bis heute, Einkäufe und Spenden zu transportieren. Das Café Légère bot uns an, zweimal die Woche ein leckeres warmes Gericht für Bedürftige zu kochen. Später kam an einem weiteren Abend ein Essensangebot von ZusammenLeben e.V. dazu. Angebote, die sehr gut ankamen und doch nicht ganz einfach zu organisieren waren – denn: Menschenansammlungen waren zum Startzeitpunkt strengstens untersagt. Ehrenamtliche Türsteher, in der Krise ebenfalls mit unverhofft viel Zeit, unterstützten uns bei der Organisation und der Einhaltung der Mindestabstände. Zu Ostern gab es dann eine große Eier-Spende, die unsere Ehrenamtlichen von zuhause aus liebevoll verzierten und mit Grüßen für unsere Gäste versahen. Später nähten sie und weitere Unterstützer*innen Alltagsmasken, die wir unseren Besucher*innen kostenlos zur Verfügung stellen konnten.
Auch öffentliche W-Lan-Zugänge waren jetzt nicht mehr verfügbar, Telefonate und Internetrecherchen daher verstärkt angefragt – oft auch, um sich einfach mal aufzuwärmen oder bei uns auf den „Gäste-Stuhl“ mit ausreichend Abstand setzen zu dürfen (so unser Eindruck). Ein Bildschirm, der über aktuelle Entwicklungen informiert, und Gästelaptops wurden installiert und kommen nun zum Einsatz.

Während der Notversorgung wurde aber auch  deutlich: Es geht unseren Besucher*innen um mehr als „satt“ zu werden – bei vielen ist es die Einsamkeit, die sie mindestens genauso stark motiviert ,zu uns zu kommen. Mit der Besserung des Wetters waren wir daher sehr froh, ab Mitte Mai ein „Café am Gleis“ eröffnen zu können. So war es nun möglich, an der frischen Luft das gute Essen im Sitzen zu genießen und bei einer Tasse Kaffee ein kurzes Gespräch mit ausreichend Abstand zu führen. Das ermöglichte Begegnung und brachte eine gewisse Normalität zurück. Leider wurde die in der Krise erteilte Sondergenehmigung für das Café nun zurückgezogen – aus Sicherheitsbedenken. Für den Sommer haben wir uns daher entschieden, zu einer „to-go“ Lösung zurückzukehren, um unseren kleinen Gastraum für Krisen- und Beratungsgespräche nutzen zu können. Gleichzeitig profitieren wir von den derzeitigen Lockerungen: Wir können am Bahnhof wieder verstärkt unterwegs sein und vor der Bahnhofsmission den Kontakt zu unseren Gästen pflegen.   

Ziehen wir eine Zwischenbilanz zu unseren bisherigen Erfahrungen in der Corona-Krise, so erfüllt uns eine große Dankbarkeit und Hochachtung vor allen Helfer*innen. Viele haben unsere Arbeit mit Spenden unterstützt, durch Kurzarbeit gewonnene Zeit für andere eingesetzt oder uns mit kreativen Lösungen von Zuhause aus unterstützt und Kontakte gepflegt. Dennoch bleibt das Gefühl, dass einiges zu kurz gekommen ist und hin und wieder immer noch fehlt: Begegnung. Und so bemühen wir uns täglich, bei aller nötigen Hygiene und Distanz, nahe bei den Menschen zu sein, sie zu beraten und zu begleiten, ihnen zuzuhören und Mut zu machen.

Sarah Gugel, Leitung der Bahnhofsmission

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2020-08-17T10:55:30+02:0017. Aug 2020|Corona|
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